Der neue belgische Prinz
In Selbstmitleid schwelgende Singer-Songwriter hat die Welt wirklich schon genug gesehen. Dass der belgische Newcomer Tamino dem Ganzen eine neue, eigenwillige Facette verpasst, tut dem Genre mehr als gut – und war längst überfällig.
MUSIKNERDS
Die Musik-Kritiker haben einen neuen Liebling, wie es scheint, und er heißt Tamino, ein gerade einmal 21-Jähriger, etwas unsicher wirkender Grünschnabel aus Antwerpen. Die Besonderheit: Tamino hat ägyptisch-libanesische Wurzeln, die sich immer wieder in seine Stücke einschleichen. “Tamino vereint westliche Kultur und die des Nahen Ostens”, schreibt daher der Musikexpress und erklärt ihn prompt zum Künstler der Woche. “Es ist, als hätte unsere Zeit nach einem kulturell verbindenden Künstler wie Tamino gerufen.”, lobpreist der Spiegel.
Dabei, erzählt Tamino im Interview, sei es nie ein erklärtes Ziel gewesen, seine arabische Prägung in die Musik einzubinden, schon gar nicht aus politischen Motiven. Vielmehr haben sich diese Elemente ganz natürlich in seine Stücke platziert, schlichtweg weil sie ein Teil von ihm selbst sind. “You can imagine it being kind of a backpack”, erklärt Tamino die Entstehung seines Sounds. “In the beginning there is not much in it, but then you start growing older and you see more movies, you read more books, you listen to more music, you have way more experience in life – and then, suddenly, your backpack starts being more full. So your work becomes richer as well”. Dementsprechend ist das Ergebnis auch – zum Glück! – keine gekünstelt aufgeblasene, krampfhafte Verbindung von verschiedenen Stilen, sondern eine leichtfüßig wirkende Collage aus Taminos Lebensweg, seinen Gefühlen und scheinbar irgendwie der ganzen Welt.
Wie die Faust aufs Auge passt daher auch der Titel seines Debütalbums: Amir. Einerseits ist es einfach sein zweiter Vorname, ein Teil von ihm. Andererseits bedeutet Amir übersetzt aus dem Arabischen “Prinz”. Und ja, etwas majestätisches, prächtiges, vielleicht sogar extravagantes haftet den Stücken auf Amir durchaus an. Das typische Leiden des Singer-Songwriters löst sich nämlich nicht wie sonst gewohnt in Selbstmitleid und Weltschmerz auf, sondern in Stolz – eine Haltung, die Tamino sich von den klassisch arabischen Musikern stibitzt hat: “They’re not the broken singer-songwriters, even though they sing about being broken.”
Tamino wirkt tatsächlich ein bisschen wie ein Prinz aus “Tausendundeine Nacht”, wie er da auf der Bühne steht, ganz in elegantem Schwarz gekleidet, mit einer goldenen Kreole im Ohr und dieser souveränen Haltung, wenn er singend sein Herz vor allen ausschüttet. “A prince is of royal descent but he still has got a lot to learn, you know? He’s not a king”, sagt Tamino bescheiden lächelnd im Interview. Und es stimmt, Tamino ist noch jung und hat noch einiges vor sich. Musikalisch gesehen aber hat er den richtigen Weg bereits mit seinem Debüt gefunden. Oder besser: der richtige Weg hat ihn gefunden. So schließt er: “I always felt like choosing this path never really was a choice. It was just the way for me.”
Good-to-know: Live zu bestaunen ist Taminos Gesangstalent am 6. Dezember 2018 im Quasimodo. Lohnt sich!
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