Steigende Lebensmittelpreise, hohe Energiekosten, Zustrom von Flüchtlingen. Die Zahl der Menschen, die sich zur Zeit in einer finanziellen Notlage befinden und sich beim Kauf von frischen Lebensmitteln einschränken müssen, steigt. Gemeinnützige Organisationen wie die Tafel e.V. unterstützen Menschen in dieser Notlage mit Nahrungsmitteln. Wir haben mit der Leiterin der Potsdamer Tafel e.V. gesprochen.
GESPRÄCHSSTOFF
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Die Zahl der Bedürftigen in Deutschland steigt
Krieg in der Ukraine, Inflation und steigende Lebensmittelkosten – das alles sind finanzielle Herausforderungen, von denen immer mehr Menschen betroffen sind. Aber glücklicherweise werden bedürftige Bevölkerungsgruppen nicht allein gelassen. Der gemeinnützige Dachverband Tafel Deutschland e.V. versorgt seit 30 Jahren Betroffene mit Lebensmittelspenden. Und diese Arbeit wird weiterhin benötigt, denn die Zahl einkommensschwacher Menschen in Deutschland, die auf Sach- und Lebensmittelspenden angewiesen sind, steigt. Was die Armutsgrenze im Jahr 2021 angeht, waren 15,8 % der deutschen Bevölkerung von Armut betroffen. Im Februar 2023 waren laut Bundesagentur für Arbeit in Deutschland 2,62 Millionen Menschen als arbeitslos registriert. Hinzu kommt der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Das hat dazu geführt, dass in vielen Bereichen der Versorgung, die Preise gestiegen sind: Strom- und Heizkosten, aber auch Essen werden teurer. Zwischen Januar 2022 und Januar 2023 sind die Preise für Lebensmittel durchschnittlich um 20,2 Prozent gestiegen (Quelle: Verbraucherzentrale).
Hervorzuheben ist auch die Anzahl der in Deutschland lebenden Flüchtlinge. Zum Jahresende 2021 lebten 1,3 Millionen Flüchtlinge und Schutzbedürftige in Deutschland (Quelle: UNO-Flüchtlingshilfe). Damit zählt Deutschland zu den Ländern weltweit, die die meisten Geflüchteten aufnahmen. Laut Angaben des Mediendienstes Integration waren zum Dezember 2022 rund 96 Prozent der registrierten Flüchtlinge, die in Deutschland ankamen, Ukrainer:innen: Die meisten von ihnen sind Frauen, während 38 % der hier Angekommenen auch Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren waren. Gemäß der Bundesregierung haben 125.000 Ukrainer:innen einen Arbeitsplatz erhalten. Viele andere besuchen zu diesem Zweck Integrations- und Sprachkurse. Zahlreiche sind auch als arbeitslos gemeldet. In Deutschland leben also zurzeit Flüchtlinge sowie deutsche Staatsbürger*innen, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden. Daher trägt die Tafel als eine von vielen Vereinen nicht nur zur Bekämpfung von Lebensmittelverschwendung bei, sondern bietet auch die Möglichkeit, Produkte von großen, deutschen Lebensmittelhändlern und Supermärkten zu retten und diese an Bedürftige abzugeben.
Lokale Tafeln in Not
Um eine Vorstellung vom Arbeitsablauf bei der Tafel zu bekommen, hat couchFM eine der Organisationen in Potsdam besucht und sich mit ihrer Leiterin unterhalten. Imke Eisenblätter leitet die Potsdamer Tafel und ist für deren strategisch-organisatorische Koordination verantwortlich. Durch unser Gespräch haben wir gemerkt, wie umfangreich die Aufgaben bei der Tafel sind und wie anstrengend der Alltag sein kann. An sechs Tagen pro Woche, von Montag bis Samstag, beteiligen sich zwischen 20 und 25 Freiwillige an der Verteilung von Lebensmitteln an Bedürftige. Dennoch muss gesagt werden, dass die Tafel aufgrund des großen Kundenzustroms die Auslieferung der Waren oft nicht schafft und daher mehr Mitarbeiter:innen benötigt. Aufgrund des räumlichen und personellen Mangels muss sich die Tafel auf die Einführung von Aufnahmestopps vorbereiten. Ein Aufnahmestopp, wie er auch für Flüchtlinge aus der Ukraine eingeführt wurde.
Seit Beginn des Krieges in der Ukraine hat sich die Zahl der Tafelkunden verdoppelt. Laut Imke Eisenblätter, war das klar: “Es ist Krieg, die Not ist groß”. Also begann auch die Tafel, ukrainischen Flüchtlingen zu helfen. Aber leider konnte keiner einen derart großen Zustrom von Ukrainer:innen vorherzusehen. Nach Aussagen Frau Eisenblätters seien in der ersten Woche 50 Ukrainer:innen gekommen, in der zweiten 100 und in der dritten 200. Bereits Ende April 2022 war dem Verein bewusst, dass sie nicht in der Lage sein würden, wöchentlich rund dreieinhalb Tausend Kund:innen zu versorgen. Trotzdem haben sie bis zum letzten Atemzug Hilfe geleistet. Frau Eisenblätter weiß aber, dass die Organisation auch die Unterstützung des Staates benötigt, damit mehr Menschen unterstützt werden können. “Der Staat muss anerkennen, dass die Tafel eine wichtige gesellschaftliche und alltägliche Institution ist.”, so Eisenblätter. Da in Deutschland sehr viele Menschen Hilfe benötigen, muss sich der Staat an der Unterstützung beteiligen. Denn wer lokale Tafeln unterstütze – sei es Bundesland oder der Bund – fördere direkt seine Bürgerinnen und Bürger.
In Potsdam fordern sie mehr finanzielle Unterstützung und neue Räumlichkeiten von der Stadt. Aber auch mehr ehrenamtliche Unterstützung wird gebraucht. Freiwilliges Engagement kann als Fahrer:in bei der Lebensmittelsammlung, aber auch in der Organisation selbst bei der persönlichen Ausgabe von Lebensmitteln zum Ausdruck kommen. Diese freiwillige Teilzeitbeschäftigung ist auch für Student:innen geeignet. Durch diese Aktivität wird nicht nur der eigene berufliche Alltag abwechslungsreicher, sondern es wird auch ein sozialer und gesellschaftlicher Beitrag geleistet, der sich definitiv lohnt.
Weiterführende Informationen
Auf folgenden Internetseiten findet ihr die aktuellen Zahlen zur Armut in Deutschland und den Flüchtlingszahlen:
//www.malteser.de/armut-in-deutschland.html
//de.statista.com/statistik/daten/studie/1223/umfrage/arbeitslosenzahl-in-deutschland-jahresdurchschnittswerte/
Verbraucherzentrale: Steigende Lebensmittelpreise
//www.uno-fluechtlingshilfe.de/hilfe-weltweit/hilfe-in-deutschland
Mediendienst Integration: Flüchtlinge aus der Ukraine
//www.bundesregierung.de/breg-de/themen/arbeit-und-soziales/ukrainische-gefluechtete-arneitsmarkt-2166832
Auf der Webseite der Tafel Deutschland e.V. könnt ihr euch über die Arbeit des Vereins informieren
//www.tafel.de/ueber-uns
Und falls ihr die Tafel unterstützen möchtet, erfahrt ihr hier wie das geht: //www.tafel.de/themen/ehrenamt
Autorinnen:
Viktoriia
Lovina